Für Unternehmen gibt es nichts Schlimmeres als eine breite Kundenabwanderung. Erscheint im Postfach eine Mail mit dem Betreff „Kündigung“, sollten sofort die Alarmglocken schlagen. Viele Unternehmen haben bereits effektive Maßnahmen für die Kundenrückgewinnung entwickelt und wenden diese erfolgreich an. Doch dann ist es meist schon zu spät, da der Kunde ja bereits eine Kündigung ausgesprochen hat. Zwar können Unternehmen bei einer Kündigung per Mail noch auf diese reagieren und somit den Kunden im besten Fall wieder für sich gewinnen, jedoch erreichen Unternehmen nur selten ein Kündigungsschreiben dieser Art. Problematisch wird es, wenn sich die Kunden wortlos entfernen – etwa bei einem regulären E-Commerce-Anbieter, der kein Abonnement- oder Vertragsmodell hat. Daher ist es wichtig schon vorab geeignete Vorkehrungen zu treffen, um eine Abwanderung der Kunden zu verhindern.
Was bedeutet Kundenabwanderung? Mit dem Begriff wird der Fakt bezeichnet, dass sich Kunden, die bei einem Unternehmen mindestens einmal ein Produkt gekauft oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen haben, abwenden und umorientieren. Ursachen dafür können die attraktivere Ausrichtung eines Wettbewerbers (zum Beispiel besseres Preis-Leistungs-Verhältnis) oder ein effektiveres Marketing der Konkurrenz sein.
Ein sehr zentraler Aspekt in dem Zusammenhang, ist die Churn-Rate. Das Kunstwort „Churn“ besteht aus den englischen Wörtern „Change“ und „Turn“ und beschreibt eben diese Kundenabwanderung eines Unternehmens. Bei der Churn-Rate geht es im wirtschaftlichen Kontext, um den Wechsel und die Abkehr. Als Frage formuliert: Wie viele Kunden sind in einer Zeitspanne X in Relation zum Kundenstamm abgesprungen? So wird das Abwandern von Kunden zu einer wesentlichen Variablen der Kundenbindung.
Kunden kommen und gehen. Zwar schwanken die Zahlen, aber es wird trotzdem gesagt, dass Business-to-Business Unternehmen pro Jahr im Schnitt etwa 11 % ihrer Kundschaft durch Abwanderung verlieren. Welche Optionen haben Firmen da noch ein Potenzial zur Verbesserung zu erkennen? Sie müssen gezielt Warnsignale für Kundenabwanderung ausfindig machen.
„Wenn ein Verkäufer seinen Kunden genug Aufmerksamkeit schenkt, kann er [Kundenabwanderung] rechtzeitig bemerken und von sich aus thematisieren“ – Oliver Schumacher (Verkaufstrainer)
Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß? Ganz im Gegenteil. Vielmehr lautet die Devise für Unternehmer: Augen offenhalten und die folgenden Signale erkennen.
Wer etwas verändern möchte, muss erst verstehen. Wollen Unternehmen einen Negativfakt positiv umwandeln, müssen sie die Gründe kennen, die zur Verschlechterung geführt haben. Ein Beispiel aus dem Alltag: Distanziert sich ein Teil einer Freundschaft, versucht die andere Seite im Regelfall den Ursachen auf den Grund zu gehen, um das Verhalten zu verstehen und lösungsorientiert darauf zu reagieren. Auch in der Beziehungen zwischen Betrieb und Kunden ist es vergleichbar.
Wo liegen die Gründe für Kundenabwanderung? Etwa beim…
Unternehmensgründe
Alles, was das Unternehmen ausmacht und vermittelt, formt einen Eindruck. Die drei klassischen Kapitel sind sicherlich die Preisstruktur, die Produkt- oder Leistungsqualität und der Kundenservice: Kunden erwarten gute Lösungen zu angemessenen Preisen sowie Wertschätzung und Kompetenz, wenn sie Kontakt aufnehmen. Nicht nur in Deutschland wird auch das Thema Datenschutz immer wichtiger. Doch auch vermeintliche Kleinigkeiten, die keine direkte Auswirkung haben, können ausschlaggebend sein. Verändert eine Firma beispielsweise ihre Außendarstellung, indem sie ein neues Design der Webseite präsentiert, hängt es von der Genauigkeit der vorherigen Zielgruppenbestimmung ab, wie dieser Schritt ankommt. Oder das Marketing wird strategisch neu ausgerichtet und die Präsenz auf sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook oder auf Portalen wie XING und LinkedIn wird durch Posts und Artikel erhöht. Veränderungen tragen immer das Risiko, ihre Wirkung in die falsche Richtung zu entfalten. Eine fundierte Kundenanalyse ist daher ratsam.
Beispiele für Unternehmensgründe:
Kundengründe
Auch zufriedene Kunden, die an sich gerne bei einem bestimmten Unternehmen einkaufen, müssen, mit Veränderungen ihrer Lebensumstände, ihren Konsum anpassen. So kann ein konkreter Bedarf erlischen oder Produkte und Dienstleistungen privat, räumlich oder finanziell nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die Gründe für eine Churn liegen nicht zwangsläufig an der mangelnden Unternehmensstrategie.
Beispiele für Kundengründe:
Wettbewerbsgründe
Unternehmen, die sich digital transformieren, sollten die Kundenzufriedenheit stark ins Visier nehmen. Das Internet bietet eine ganze Palette an Möglichkeiten, positive wie negative Erfahrungen zu äußern. Abgesehen von den sozialen Medien, gibt es reihenweise Webseiten, die sich exakt auf das Bewerten und Vergleichen von Anbietern – auch in Form längerer Artikel – ausrichten. Auf diese Weise rückt der Wettbewerb näher zusammen und alles wird transparenter. Kundenmeinungen erlangen Gewicht und beeinflussen das Verhalten anderer. Kurz gesagt: Findet ein Kunde ein besseres Angebot oder mehr Wertschätzung bei der Konkurrenz, sind Abwanderungsgedanken nicht weit entfernt.
Beispiele für Wettbewerbsgründe:
Die Rechnung ist simpel: Unternehmen generieren ihre Umsätze über gelungene Werbung, doch primär über zahlende Kunden. Wandern diese Kunden ab, fehlt der Umsatz und die Konkurrenz wird möglicherweise gestärkt. Eine Abwärtsspirale kommt in Gang, die kräftiger wird, je schlechter die ehemaligen Kunden über die Firma mit ihren Freunden, in der Familie und auf sozialen Netzwerken sprechen. Ebenso gilt der umgekehrte Fall: Wird der Kundenwert erhöht, die Kundenbindung gestärkt und gibt es keine weiteren signifikanten Gründe für eine Churn, stärken Unternehmen ihre eigene Marktposition. So bauen sich Multiplikatoren aus, erweitern den Kundenstamm, optimieren den Gewinn und erreichen oder übertreffen sogar die Unternehmensziele.
Das Customer Management ist 2019 ein multidimensionaler Aspekt. Es geht nicht allein um die Kundengewinnung, auch das Halten ist wichtig, um folglich die Churn-Rate so niedrig wie möglich zu halten. Kommt es trotz allem zur Churn, sollten diese Kunden nicht direkt vom Unternehmen abgeschrieben werden, sondern durch Maßnahmen der Kundenrückgewinnung davon abgehalten werden, zur Konkurrenz überzulaufen. Genau diese Kunden können Umsatztreiber sein, die oft übersehen oder vergessen werden, weil der Fokus zu sehr beim Aufbau neuer und loyaler Kundschaft liegt.
Gemäß der in der Einleitung dargelegten Unterschiede zwischen vertragslosen Geschäftsbeziehungen und beispielsweise Abonnements, ergeben sich zwei Ansätze der Kundenrückgewinnung:
Ist der Versuch fehlgeschlagen, aus Käufern loyale Kunden zu machen, sollten Rückgewinnungsmaßnahmen forciert werden, um potenzielle Umsatzquellen nicht versiegen zu lassen. Kunden, die gehen, sind nicht zwangsläufig dauerhaft verloren. Der Prozess zur Rückgewinnung gliedert sich in fünf Schritte:
Es gibt verschiedene Gründe, warum sich Kunden von einem Betrieb abwenden. Laut einer Studie von November 2018 mit dem Titel „High Performance in the Age of Customer Centricity“, in der auch Kunden aus Deutschland beteiligt waren, liegt schlechter Service, als Grund für Kundenabwanderung, deutlich vor den preislichen Gründen.
Grundsätzlich gilt: Bei den unternehmensbezogenen Gründen ist es durchaus möglich, Kundenabwanderung durch analytische Verfahren frühzeitig zu erkennen und vorbeugend zu Handeln:
Wer Daten sammelt, erhält wichtige Informationen, die zum Unternehmenserfolg beitragen. Wenn Unternehmen über das Verhalten, die Erwartungen und Absichten ihrer Kunden Bescheid wissen, können sie diese Daten nutzen, um Abwanderungspotenziale zu identifizieren und entsprechend zu intervenieren. Dafür ist es notwendig, alle Kanäle, die zur Interaktion mit dem Kunden dienen, genau unter die Lupe zu nehmen.
„Wir fragen NPS®-Feedback an fünf Kontaktpunkten ab. Die Umfragen lassen sich individuell anpassen und erzielen so extrem hohe Antwortraten“ – Daniel Lang (Head of Marketing Parfumdreams)
Natürlich müssen die gesammelten Daten aufgearbeitet und in Handlungsanweisungen umgemünzt werden, um sie in die laufenden Prozesse einzugliedern. Nur so lässt sich etwas vermeiden, das noch nicht geschehen ist, sich aber anbahnt. Bei der Auswertung sind heutzutage intelligente Technologien wie beispielsweise „Machine Learning“ eine gute Hilfe. Doch zunächst sollte die Kundenzufriedenheit analysiert werden – beispielsweise mit dem Net Promoter Score® (NPS).
Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Kunde ein Produkt, ein Unternehmen oder eine Dienstleistung weiterempfiehlt? Dieser Frage widmet sich der NPS und kategorisiert Kunden in Promotoren, Passiv-Zufriedene und Detraktoren (Kritiker). Die Schlussfolgerungen sind simpel: Wächst die Anzahl der Passiven oder Kritiker und die Anzahl der Promotoren sinkt, ist das ein Zeichen für erhöhte Unzufriedenheit und ein Indiz, dass es zu Kundenabwanderungen kommen kann. Auf der Basis dieser Daten sollte im Customer Management nach den Gründen geforscht werden, um Maßnahmen zu definieren, die dann implementiert und beurteilt werden, um die Churn abzuwenden.
Kann der Einsatz von KI-Technologien die Kundenzufriedenheit und damit den Umsatz von Unternehmen steigern? Wer sich mit der Frage auseinandersetzt, stößt unweigerlich auf den Begriff „Machine Learning“ (ML). Dieser Teilbereich der künstlichen Intelligenz soll Muster und Gesetzmäßigkeiten anhand großer Datenmengen (Big Data) erkennen. Für den Einsatz von ML-Systemen müssen die Kunden umfassend begleitet werden, um möglichst viele Daten zu ermitteln, die dem Algorithmus vorgelegt werden. Unzureichende Datenmengen führen zu fehlerhaften Schlüssen und aus diesem falschen künstlichen Wissen resultieren Handlungsanweisungen, die dem Unternehmen eventuell mehr schaden, als helfen.
Heißt also: KI-Technologien, wie Chatbots, können helfen, wenn sie richtig eingesetzt werden. Halbherzig funktioniert das nicht, denn die Datensammlung muss den gesamten Lebenszyklus von Kunden umfassen können – mehr Daten, mehr Erfahrungen, mehr (künstliches) Wissen.
„Auf Basis von KI-Technologien lassen sich komplett neue Anwendungen, neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln“ – Jörg Bienert (Mitgründer und Vorsitzender des Bundesverbandes Künstliche Intelligenz)
Der Kunde ist und bleibt König. So alt der Spruch im Jahr 2020 auch klingt, er gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Viele Betriebe unterschätzen daher die Macht ihrer abgewanderten Kunden. Noch fataler: Sie überlesen das Kapitel „Rückgewinnung“ in der Unternehmensstrategie und überlassen ihre ehemaligen Kunden der Konkurrenz, stärken damit den Wettbewerb und ignorieren eine zusätzliche Umsatzquelle. Das Customer Management sollte sich demzufolge zusätzlich mit den verlorenen Kunden und der Churn-Rate beschäftigen. Ihre Beweggründe analysieren, von ihnen lernen, sie bestenfalls zurückholen und letztendlich verstehen. So kann sich Kundenabwanderung frühzeitig erkennen lassen und Überlegungen, welche technischen Hilfsmittel es gibt und welche Optimierungen nötig sind, um eine reibungslose Customer Journey zu gewährleisten, starten.
Content Marketing Manager