Kündigungsprävention durch Churn Management

Customer Loss Prevention Through Churn Management

Aufgrund der vielen Angebote und neuen Wettbewerber, die teilweise aus dem Nichts erscheinen, wird es für Unternehmen immer schwerer Kunden langfristig zu binden. Diese sind dank des wachsenden Angebots an Produkten und Dienstleistungen immer wechselfreudiger. Pfiffige Unternehmen haben das verstanden und konzentrieren sich längst nicht mehr nur auf die Neukundengewinnung. Die Stärkung der Bindung zu Stammkunden und die Reduzierung der Abwanderungsraten sind mindestens genauso wichtig. Dass sich die Investition in Abwanderungs-Management – auch Churn Management genannt – lohnt, ist keine Frage. Dies zeigt sich am folgenden Ergebnis einer Untersuchung: Gelingt es einem Unternehmen seine Abwanderungsrate um nur 5% zu reduzieren, kann das die Gewinne enorm steigern. Denn mehr als 70% des Umsatzes werden erst in nachfolgenden Käufen, also nach dem ersten Verkauf generiert.


Churn Management: Definition und Ziele

Churn ist ein Kunstbegriff, der aus den Wörtern Change und Turn zusammengesetzt ist. Dieser Begriff beschreibt den Sachverhalt bei dem ein Kunde gern den Anbieter wechseln möchte (change), von dieser Abwanderung jedoch abgebracht werden soll (turn). Kurz gesagt bedeutet Churn also Kundenwechsel bzw. Kundenabwanderung. Somit befasst sich das Churn Management mit der Aufgabe die Kunden zu reaktivieren, die einen Vertrag gekündigt haben oder durch ihr Kauf- bzw. Nutzungsverhalten als kündigungswillig angesehen werden.

Das Churn Management verfolgt zwei Ziele:
  • die Identifizierung abwanderungsgefährdeter Kunden und
  • die Senkung der Churn-Rate (Abwanderungsrate) sowie die Rückgewinnung ehemaliger Verwender durch aktives Kundenbeziehungsmanagement (Customer-Relationship-Management).

Hierbei handelt es sich eindeutig um Ziele, die für jedes Unternehmen eine wichtige Rolle spielen sollten. Dabei befindet sich das Churn Management erst seit ca. 20 Jahren im Fokus der konzeptionellen und empirischen Forschung und ist neben Neukundenakquisition und Kundenbindung Teil des Kundenbeziehungsmanagement (CRM).

Nach Stauss und Friege (1999) wird das Churn Management in 3 Stufen eingeteilt:
  1. Analyse der abgewanderten und abwanderungsgefährdeten Kunden (Rückgewinnungs- und Abwanderungsanalyse)
  2. Festlegung eines Rückgewinnungskonzeptes und Ableitung von geeigneten Marketingaktivitäten
  3. Controlling und die Optimierung der Rückgewinnung
Schüller (2007) unterteilt das Churn Management sogar in 5 Schritte:
  1. Identifizierung der Kunden, die gekündigt haben bzw. kündigen wollen
  2. Analyse der Ursachen, die zur Kündigung führen
  3. Planung und Implementierung von Konzepten zur Rückgewinnung
  4. Erfolgskontrolle sowie Optimierung der Maßnahmen
  5. Churn Prävention

Einsatzgebiete des Churn Management

Durch die gezielte Ansprache und bestenfalls Rückgewinnung von Kündigungswilligen, sollen die Kosten für Kundenbindungsinstrumente reduziert und die Erfolgsquote erhöht werden. Dadurch können der Umsatz gesteigert und die Gesamtziele erreicht werden. Innerhalb der Churn Management Strategie als Teil der CRM Strategie wird definiert, wie abwanderungsgefährdete Kunden angesprochen und Prozesse optimiert werden sollen.

Unternehmen versuchen natürlich ihre Kunden so gut es geht zu binden und die Churn-Rate möglichst niedrig zu halten. Besonders bei vertraglichen Beziehungen tritt das Churn Management in Aktion, denn hier ist es grundsätzlich einfacher zu überprüfen, ob der Kunde tatsächlich bereit ist zu kündigen bzw. schon gekündigt hat. Bei nicht vertragsbasierten Kundenbeziehungen wird die Definition des Abnehmers als solcher schwieriger, weshalb Kundenbindungsprogramme in Gestalt von Sammelkarten, Bonusprogrammen, Clubs und anderen Instrumenten des Marketings zur Identifizierung der einzelnen Kunden immer beliebter werden.

Churn-Rate und Churn Score

Die Churn-Rate ist inzwischen in nahezu allen Branchen von hoher Relevanz. Sie beschreibt im Churn Management die Abwanderungsrate von Stammkunden, also die Anzahl der verlorenen Abnehmer. Konkret stellt sie prozentual die Anzahl der Kundenverluste im Vergleich zum gesamten Stamm an Verwendern des Unternehmens dar. Die Aufgabe des Churn Managements ist es, die Kundschaft bereits vor einer Kündigung zu identifizieren und diese zu verhindern. Dafür wird eine Maßeinheit benötigt, anhand derer man die Kunden in mögliche „Kündiger“ und „Nicht-Kündiger“ klassifizieren kann. Dies wird mithilfe des Churn-Score realisiert, der die Wahrscheinlichkeit angibt, inwieweit ein Kunde von einer Kündigung Gebrauch machen könnte. Berechnet wird der Churn-Score anhand bestimmter Kriterien wie beispielsweise einer verringerten Kaufkraft, die den Wechselwillen anzeigen kann.

Die 3 gängigsten Arten der Kundenabwanderung & Lösungsansätze:

  1. Rückgang der Ausgaben
    Ein Rückgang der Ausgaben ist ein erstes Anzeichen für die Kündigungsbereitschaft der Kunden. Die Gründe dafür können vielfältig sein und sollten mithilfe des CRM genau identifiziert werden. Hierfür können Kundenkonten mit einem Warnmelder ausgestattet werden, der bei einer definierten Mindestgrenze für jedes Konto eine Meldung an das Customer-Relationship-Management abgibt.
  2. Abfall der Produktattraktivität
    Manchmal sind es nicht einzelne Abnehmer, die abwandern, sondern Produkte oder Produktlinien, die an Attraktivität verlieren und somit gleich viele Kundenkonten betreffen. Um Einbußen bei einem einzelnen Produkt frühzeitig zu erkennen, sollte ebenfalls ein Warnsystem etabliert werden, welches die typischen Auftragsbestände eines Produkts überwacht. So kann beim Unterschreiten definierter Abnahmegrenzen der Vertrieb eingreifen.
  3. Verlust des gesamten Kundenkontos
    Die radikalste Art der Abwanderung ist die spontane Aufgabe des Kundenkontos. Hierbei ist der Kunde in der Regel schon verloren und bereits zur Konkurrenz gewechselt. Um den Absprung von Kunden zu vermeiden, muss das Churn Management proaktive Methoden ergreifen und in verschiedenen Stufen des Customer Lifecycle eingreifen.

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Gründe für die Kundenabwanderung und wie man ihnen begegnet

Wenn ein Unternehmen seine Kunden an sich binden möchte, sollte es sich eines wichtigen Fakts bewusst sein: Laut einer Studie von MasterCard kündigen Bestandskunden in der Regel nicht aufgrund der Sichtbarkeit oder des Preises, sondern wegen des unzureichenden Service. Dabei kann es sich als sehr schwierig herausstellen, Störungen und fehlerhafte Abläufe im Service zu identifizieren. Denn nur 1 von 27 Verwendern informiert das Unternehmen über das aufgetretene Problem und gibt ihm somit die Chance den Service zu optimieren.

Kundenabwanderung aufgrund des Service

Fehler im Service, die zu einer Abwanderung der Kundschaft führen, können vielseitig sein:

  1. Schlechtes Onboarding
  2. Ineffektive Kundenpflege / Unzureichender Aufbau von Kundenbindung
  3. Schlechte Kundenansprache und Overselling
  4. Lückenhafte und fehlende Kommunikation
  5. Schlechter Kundenservice
  6. Ineffektives Kundenmarketing

Die meisten Servicefehler treten dabei durch fehlerhaftes Verhalten der Mitarbeiter auf. Deshalb ist es für ein erfolgreiches Customer-Relationship-Management wichtig, alle Mitarbeiter kontinuierlich zu schulen und Geschäftsprozesse regelmäßig auf ihre Effizienz und Effektivität hin zu überprüfen.

Churn Prävention – so geht’s!

  1. Das Onboarding sollte für neue Kunden so einfach wie möglich gestaltet werden, denn 40-60 % der Benutzer, die sich für einen Service oder eine SaaS-Anwendung registriert haben, werden diesen ansonsten nur einmal benutzen. Je verständlicher der Onboarding-Prozess, desto mehr Kunden werden den nächsten Schritt des Kundenlebenszyklus erreichen.
  2. Kundenpflege ist das Zauberwort: wird der Kontakt zu den Kunden gepflegt und eine starke Kundenbindung aufgebaut, sinkt die Wahrscheinlichkeit für die Kundenabwanderung deutlich. Dies kann beispielsweise durch einfache Prozesse realisiert werden: Durch die Definition von Kennzahlen, die den Rückgang des Kundenengagements anzeigen, kann aktiv an der Kundenbeziehung gearbeitet und so das Engagement des Kunden erhöht werden.
  3. Werden Kunden durch das Marketing mit zu vielen oder für sie uninteressanten Produkt- und Serviceangeboten überflutet, treibt dies schnell die Abwanderungswahrscheinlichkeit an. Durch die Analyse der Kaufgewohnheiten entlang des Customer Lifecycle können individuelle Verkaufsprozesse erstellt werden, die dem Overselling entgegenwirken.
  4. Lückenhafte Kommunikation lässt sich in der Regel aufgrund der Nutzung unterschiedlicher Kanäle schwer identifizieren. Deshalb sollten Unternehmen Kommunikationsprozesse implementieren, die die Beziehung zum Kunden verstärken und auf seine Bedürfnisse und Probleme eingehen.
  5. Um Kunden nicht durch schlechten Kundenservice zur Churn zu motivieren, sollten nicht nur die Mitarbeiter ausreichend geschult sein, sondern auch Prozesse etabliert werden, die die Kundschaft nach definierten Wertmaßstäben priorisieren. Möglich sind auch Batch-Prozesse, die Interessenten und Abnehmer nach ihrem momentanen Stand im Customer Lifecycle segmentieren anstatt nach der Reihenfolge der Anfragen.
  6. Um den Kunden bestmöglich durch Marketingmaßnahmen zu unterstützen, sollte neben einem gelungenen Inbound-Marketing auch auf eine marketingbasierte Unterstützung des Verkaufs geachtet werden. Zudem ist die Dokumentation des Service, das Sammeln von Informationen zum Engagement und zum Aufbau der Bindung, sowie das Bereitstellen interessanter Dokumente, wie Whitepaper und E-Books für Bestandskunden essenziell.

Churn Modelle und Methoden finden

Für das Churn Management gibt es nicht nur einen Lösungsweg, sondern individuelle Handlungspläne. Je nach angebotenen Produkten, anzusprechenden Kunden sowie der Art des Unternehmens kann man hier die passende Methode auswählen. Im Allgemeinen lassen sich aber alle Abläufe in sechs Schritte zusammenfassen:

1. Identifizierung der abwanderungswilligen Kunden

Um ein geeignetes Konzept zur Rückgewinnung der abgewanderten Kunden erstellen zu können, müssen diese in einem ersten Schritt identifiziert und klassifiziert werden. Dazu wird analysiert, welcher Kunde über seinen Kundenlebenszyklus hinweg signifikant weniger Umsatz generiert oder wer die Kundenbeziehungen sogar schon offiziell beendet hat. Hierfür bedarf es eines effizienten CRM-Systems, dass Daten sammelt und auswertet. Für die Ansprache empfiehlt es sich, Kunden zu priorisieren und diejenigen mit den höchsten Margen zuerst anzusprechen.

2. Analyse der Kundenrückgewinnung

Nach der Identifikation der Kunden lassen sich eventuell Trends entdecken, die Abwanderungen für ganze Kundengruppen oder Produkte erklären können. Daher sollten sich Unternehmen fragen, mit welchen Abwanderungstypen sie es zu tun haben.

Bei einer aktiven Abwanderung kündigen Bestandskunden aus den unterschiedlichsten Gründen. Diese sollten identifiziert und durch Rückgewinnungsmaßnahmen wieder in das Unternehmen geholt werden. Wandern zufriedene Kunden ab, liegt dies oft daran, dass sie nur einen zeitlich begrenzten Bedarf für ein Produkt oder einen Service hatten.

Eine passive Abwanderung kommt zustande, wenn Verwender vergessen ihre Produkte oder Services zu verlängern. Hier sollte mit Erinnerungen zur Aktualisierung eben dieses Service gearbeitet werden. Wichtig ist auch die Frage nach den Kundentypen, die sich für eine Churn entscheiden. So kann das Customer-Relationship-Management gezielt in diesen Segmenten agieren. Bietet das Unternehmen verschiedene Abonnementtypen an, lohnt es sich auch einen Blick darauf zu werfen. Haben nur einzelne Service-Pakete eine hohe Churn-Rate, sollte die Produktabteilung das Angebot noch einmal optimieren und mögliche Vorteile für die Kundschaft klarer herausstellen. Zusätzlich kann das CRM durch Umfragen und Einzelgespräche weitere Trends erkennen. Auch die Kosten und der Nutzen der zu wählenden Rückgewinnungsmaßnahmen sollten in dieser Phase kalkuliert werden.

3. Maßnahmen der Rückgewinnung

Die bereits analysierten Probleme sollten schnellstmöglich behoben und die daraus resultierenden Lösungen an den Kunden kommuniziert werden. So fühlt sich der Kunde in seinen Bedürfnissen ernst genommen und sein Vertrauen in das Unternehmen steigt. Im besten Fall findet die Kommunikation zum Kunden über den von ihm bevorzugten Kanal statt. Auf Grundlage der Kundenrückgewinnungsanalyse können dem Kunden in diesem Schritt unterschiedliche Rückgewinnungsangebote präsentiert werden, wie zum Beispiel:

  • Preisnachlässe
  • Modifikationen des Produktes oder eine Verbesserung der Serviceleistung durch vermehrte und zielgerichtete Kommunikation
  • vertrauensbildende Handlungsschritte
  • neue Ansprechpartner oder
  • aktualisierte Vereinbarungen

Zur Priorisierung der konkreten Methoden sollten Unternehmen die Höhe des Churn-Score, des Value-Score sowie des Risk-Score betrachten, die in der folgenden Matrix dargestellt werden:

4. Feedback einholen

Der Kunde sollte spüren, dass das Unternehmen nicht nur zur Rückgewinnung aktiv Interesse an ihm zeigt, sondern ihm langfristig etwas an der Partnerschaft liegt und sich deshalb um eine erhöhte Kundenzufriedenheit bemüht. Hierfür sind weiterführende Handlungen zur Kundenbindung wichtig, ebenso wie das Einholen von Feedback.

Exkurs: Net Promoter Score® zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit

Mithilfe des NPS® gelingt es die derzeitige Stimmung der Kundenlandschaft einzufangen und somit Kunden, die zu einer Abwanderung tendieren, frühzeitig zu identifizieren. Dank der Fragestellung, ob der Kunde ein Produkt oder eine Dienstleistung weiterempfehlen würde, können sogenannte Detraktoren und Promotoren identifiziert werden. Detraktoren würden das Produkt nicht weiterempfehlen und tendieren folglich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit dazu, das Produkt nicht weiterzuempfehlen beziehungsweise keine Zweitkäufe zu tätigen.

5. Daten richtig auswerten

Um die Rückgewinnung erfolgreich zu optimieren, bedarf es einer detaillierten Auswertung der gewonnenen Daten. Das Verhalten der Kunden hilft in der Regel dabei, Defizite bei Produkten, Probleme im Service und Lücken in der Kommunikation zu beheben. Dies ist nicht nur für das Churn Management und das Customer-Relationship-Management von großer Bedeutung, sondern hilft auch der Marketing-, der Produkt-Abteilung, dem Vertrieb und vielen weiteren Abteilungen bei der Optimierung ihrer Leistungen.

6. Controlling der Churn Strategien

Jedes Konzept und jeder Plan sind nur so gut, wie das dafür eingesetzte Controlling. Denn nur durch die Überprüfung, ob sich die Churn Maßnahmen gelohnt haben, lässt sich der wirtschaftliche Erfolg letztlich messen. So kann sich der Prozess immer weiter optimieren, sodass langfristig größere Erfolge erzielt werden können.

Fazit zum Churn Management

Erfolgreiches Churn Managements fängt bei der Identifikation der Kunden an, die ein hohes Abwanderungsrisiko aufweisen und endet nicht bei der einmaligen Ansprache dieser. Wie in diesem Artikel gezeigt wurde, muss das Churn Management vielmehr als Teil des Customer-Relationship-Managements neben der Neukundenakquise und der Kundenbindung seinen festen Platz im Unternehmen finden. Mithilfe persönlicher Befragungen und IT-gestützter Analysen werden somit potenzielle Abwanderer mit einer hohen Churn-Rate erkannt und durch gezielte, individuelle Maßnahmen erfolgreich zurückgewonnen.


Schlagwörter:

Susan Pfundt

Senior Content Marketing Specialist