In Zeiten der Kundenfluktuation und gesättigten Märkten ist die Kundenabwanderung wohl ein Leid, welches viele Unternehmer teilen. Diese Tatsache sollte man jedoch nicht so einfach stehen lassen. Denn es lohnt sich, sich um diese verlorenen Kunden zu bemühen und sie im besten Fall zurückzugewinnen. Unzufriedene Kunden sind nämlich nicht für immer verloren. Mit geschickten Maßnahmen gelingt es, sie doch noch von den Vorteilen des Produktes oder der Dienstleistung zu überzeugen.
Vorsicht ist besser als Nachsicht – Warnsignale
Natürlich ist es für alle Beteiligten besser, wenn es gar nicht erst zu einer Abwanderung der Kundschaft kommt. Hierfür ist es wichtig, eine Sensibilität für gewisse Kundensignale zu entwickeln und erste Anzeichen für eine Kundenabwanderung bzw. Unzufriedenheit frühzeitig zu erkennen. Folgende Anhaltspunkte bzw. Signale können auf eine zukünftige Abwanderung hinweisen:
- Der Umsatz geht zurück.
- Es werden weniger Bestellungen getätigt.
- Die Kontakthäufigkeit nimmt ab.
Um einen besseren Überblick über das individuelle Kundenverhalten zu bekommen, lohnt es sich, dieses anhand verschiedener Kennzahlen genauestens zu beschreiben. Gelingt es vorab, ein detailliertes Kundenprofil zu erstellen, können anschließend Veränderungen besser erkannt und nachvollzogen werden. Folgende Aspekte sollten hierbei analysiert werden:
- Bestellungen des Kunden pro Jahr
- Umsatz pro Monat
- durchschnittliche Bestellmengen pro Bestellvorgang
- Anzahl der Reklamationen, Rücksendungen und Beschwerden
Treffen die oben genannten Punkte auf einen oder mehrere Kunden zu, sollten Unternehmer wachsam sein. Sinkt die Frequenz der Käufe oder die Anzahl der gekauften Produkte, könnte das ein Zeichen für Unzufriedenheit und somit ein Warnsignal sein. Unternehmen sollten stets aufmerksam auf diese Kundensignale achten und gegen sie vorgehen. Denn bei dieser Art von „Risikokunden“ ist es besonders wichtig, die Kundenbindung noch mehr zu stärken.
Regelmäßig nach Feedback fragen
Um unzufriedene Kunden frühzeitig zu identifizieren, lohnt es sich, die eigene Kundschaft regelmäßig zu befragen, um die aktuelle Stimmungslage einzufangen. Eine geeignete Kennzahl, um die Kundenzufriedenheit zu ermitteln, ist der sogenannte Net Promoter Score®. Dieser gibt Aufschluss darüber, wie wahrscheinlich ein Kunde die eigene Marke bzw. das Produkt oder die Dienstleistung weiterempfehlen würde.
Auf einer Skala von 0 (sehr unwahrscheinlich) bis 10 (sehr wahrscheinlich) kann der Konsument hier nun eine Antwort geben. Anschließend wird der Kunde anhand seiner Antwort in verschiedene Gruppen eingeteilt:
- 0 bis 6 – Detraktoren (Kritiker des Produktes)
- 7 bis 8 – Passive (dem Produkt gegenüber neutral)
- 8 bis 10 – Promotoren (Befürworter des Unternehmens)
Im Zuge der Abwanderungsgefahr und eventuellen Rückgewinnungsmaßnahmen interessieren uns natürlich insbesondere die Detraktoren. Als Kritiker würden sie das Produkt oder die Dienstleistung eher nicht weiterempfehlen. Im schlimmsten Fall würden sie das Produkt selbst nicht mehr erneut kaufen oder sogar Freunden und Bekannten von ihrer negativen Erfahrung berichten. Welchen negativen Einfluss das auf die Reputation eines Unternehmens haben kann und wie wirksam Kundenempfehlungen sind, zeigen wir in unserem Artikel zum Thema „Empfehlungsmarketing – die beste Werbung macht der Kunde“.
Dank des Net Promoter Systems können Kritiker frühzeitig erkannt werden und es kann ein Überblick über die aktuelle Situation und die Stimmung der Customer gewonnen werden. Durch ein zusätzliches Feld, in dem die Kunden Mitteilungen, Wünsche und Erwartungen formulieren, können Unternehmen noch mehr über ihre eigenen Kunden erfahren und ihre Prozesse darauf ausrichten.
So geht man richtig mit Beschwerden um
Erreicht negative Kritik ein Unternehmen, gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht überstürzt zu handeln. Hierfür ist es hilfreich, einen internen Prozess zu entwickeln, um eine einheitliche Bearbeitung der Beschwerden zu garantieren. Unternehmen sollten deshalb ein Beschwerdemanagement mit festen Vorgehensweisen und Regeln entwickeln, um Detraktoren zurückzugewinnen.
1. Eine Beschwerde so einfach wie möglich machen
Das mag zunächst seltsam klingen, ist jedoch enorm wichtig für die Rückgewinnung von Kritikern. Viele Verbraucher scheuen die Konfrontation: Nur 9 von 10 Kunden kommen überhaupt erst auf ein Unternehmen zu, um Kritik zu äußern. Deshalb ist es enorm wichtig, diesen Prozess so einfach wie möglich zu gestalten. Warum? Ein Konsument, der das Unternehmen still und leise ohne eine Begründung verlässt, verhindert eine Verbesserung der Probleme oder kritisierten Punkte und das nur, weil er seine Kritik einfach nicht äußert. Es ist also aus Unternehmenssicht wichtig und viel besser, wenn eine Beschwerde auch ankommt. So können Fehler erkannt und Lösungen gefunden werden.
Zudem ist es wichtig, dass die Beschwerde so schnell wie möglich bearbeitet wird. Der Kunde sollte nicht lange warten müssen, damit der Ärger nicht noch mehr wächst. Da kritische Mails oder Anrufe allerdings nicht geplant werden können und spontan eintreffen, ist es wichtig, dass die Beschwerde nicht im Trubel des Tagesgeschäfts untergeht.
2. Den Kunden nicht als Gegner sehen
Bei der Bearbeitung der Beschwerden ist es wichtig, die Kritik und negatives Feedback nicht persönlich zu nehmen. Vielmehr sollten sich Mitarbeiter in den Kunden hineinversetzen, um die jeweiligen Probleme nachvollziehen zu können. Es ist nicht ratsam, die Schuld bei dem Kunden zu suchen oder ihn auf seine eventuelle Teilschuld aufmerksam zu machen. Die Mitarbeiter müssen hier ehrlich mit sich selbst sein und sich an die eigene Nase fassen, die Situation reflektiert betrachten und schauen, was auf Unternehmensseite falsch gelaufen ist.
Kunden, die eine Beschwerde formulieren, wollen schließlich in den meisten Fällen nichts Böses. Es zeigt viel mehr, dass sie Interesse an der Weiterentwicklung des Unternehmens und an der Optimierung der Prozesse haben. Aufrichtigkeit und Reflektion ist im Umgang mit Feedback jeder Art enorm wichtig. Unternehmen, die ihre eigenen Fehler erkennen und zu ihnen stehen, haben einen positiven Einfluss auf Detraktoren.
3. Lösungen anbieten und aus Fehlern lernen
Jeder Kunde, der ein Problem hat und dieses in Form einer Beschwerde äußert, möchte eine Lösung dafür. Dieser Vorschlag sollte vom Unternehmen kommen. Lösungsorientiertes Arbeiten ist besonders im Bereich des Beschwerdemanagements essentiell. Um die Kritiken und das Feedback effektiv in die Optimierungsprozesse zu implementieren, muss die Beschwerde natürlich auch in den jeweiligen Abteilungen ankommen. Hierfür wurde im Zuge des Net Promoter Systems® das Prinzip des Inner & Outer Loop konzipiert.
- Inner Loop: Hierzu gehören alle Interaktionen, Lernvorgänge und Änderungen auf individueller Ebene. Die Beschwerde wird hier direkt an den betroffenen bzw. zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet, damit dieser direkt am Feedback arbeiten kann. Darüber hinaus informiert er den Kunden sofort, sobald das Problem behoben ist. Der Inner Loop ermöglicht es, dass Mitarbeiter positives und konstruktives Feedback direkt und sofort hören können. Dadurch werden individuelles Lernen und die Interaktion zwischen Mitarbeiter und Kunde gefördert.
- Outer Loop: Die sogenannte äußere Schleife beschreibt Änderungen und Lernvorgänge auf Unternehmensebene. Hierzu gehören strategische Änderungen wie Richtlinien, Ressourcenzuweisung, Preisgestaltung etc., die im Zuge von Beschwerden angepasst werden. Diese Prozesse sind systematischer und deutlich langsamer als im Inner Loop.
Nur mit einer guten Kommunikation an involvierte Mitarbeiter oder Abteilungen gelingt es, dass die Kritik auch angenommen und umgesetzt werden kann. Detraktoren, die eine Beschwerde getätigt haben und nach einer bestimmten Zeit noch keine Veränderungen oder Bemühungen des Unternehmens vernommen haben, beenden die Geschäftsbeziehung – und das meist ohne einen weiteren Hinweis.
Status quo – Wie viele Kunden habe ich verloren?
Konnte man eine Abwanderung der Detraktoren nicht verhindern, gilt es natürlich, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um diese zurückzugewinnen. Hierfür ist es wichtig, den Ist-Zustand zu analysieren und einen Überblick darüber zu gewinnen, wie viele Detraktoren verloren wurden und welche Kunden genau die Geschäftsbeziehung beendet haben. Das ist oft gar nicht so einfach, denn in vielen Branchen bedarf es keiner mündlichen oder schriftlichen Kündigung. Viele Kunden verlassen das Unternehmen leise und ohne weitere Mitteilung, weshalb es umso schwerer ist, eine Abwanderung zu definieren. Wichtig ist es hierbei, auch sogenannte „Schläfer“ zu identifizieren. Diese gelten nicht als verloren, sind jedoch wechselbereit, weshalb ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Es kommt jedoch nicht nur auf die Anzahl der verlorenen Kunden an. Auch der jeweilige Wert der Kunden ist hierbei zu beachten. Nach diesem Wert wird auch entschieden, ob sich eventuelle Rückgewinnungsmaßnahmen lohnen oder eben nicht. Folgende Fragen geben eine Antwort bzw. eine Einschätzung zum individuellen Kundenwert:
- Hat der Kunde regelmäßige Käufe getätigt?
- Wie hoch waren seine Rechnungen?
- Wie lang ist der Konsument schon Kunde bei uns?
Natürlich lohnt es sich nur, solche Kunden zurückzugewinnen, die auch in Zukunft attraktiv und gewinnbringend erscheinen. Keinem Unternehmen bringt es etwas, Zeit und Geld in Verbraucher zu investieren, die mehr Kosten verursachen, als sie letztendlich einbringen. Dies kann anhand folgender Indikatoren ermittelt werden:
- Umsatzpotenzial pro Jahr
- Kosten der Kundenrückgewinnung
- Kosten der Kundenbetreuung
- Empfehlungen durch den Kunden
Abwanderungsgründe erkennen und analysieren
Die Gründe für eine Abwanderung sind vielseitig und es benötigt reflektiertes Denken, um eventuelle Zusammenhänge diesbezüglich herauszuarbeiten. Sind viele Kunden aufgrund ähnlicher Aspekte gegangen? Gibt es bestimmte Zeiträume, in denen besonders viele Customer verloren gegangen sind? Wenn ja, woran liegt das? Wer Antworten auf diese Fragen erhalten möchte, muss sich intensiv mit den Abwanderungsgründen auseinandersetzen.
- Hoher Preis
- Schlechter Service und schlechtes Image
- Standortlücken
- Schlechte Qualität und Leistung
- …
Einer Umfrage zufolge geben rund 84 Prozent der Kunden an, dass ihre Erwartungen während des Gesprächs mit einem Kundenbetreuer nicht erfüllt wurden. Eine Schulung der Mitarbeiter kann also schon dazu beitragen, dass ein Großteil der Kunden zufriedener wird. Dank aufmerksamer und zuvorkommender Mitarbeiter kann dieses Problem also behoben werden. Hier muss ein gewisser Handlungsspielraum für die Mitarbeiter geschaffen und ein Ablauf für bestimmte Fälle entwickelt werden.
Natürlich kann neben dem Service aber auch das Produkt oder die Dienstleistung an sich ein Grund zur Abwanderung der Detraktoren darstellen. Neben den Funktionen ist meist auch der Preis ein ausschlaggebender Aspekt. Diese Kunden sind meist jedoch jederzeit offen für ein attraktives Angebot und kehren dann gern wieder zum zuvor verlassenen Unternehmen zurück. Schwieriger ist es jedoch, jene Kunden zurückzugewinnen, die aufgrund der Leistung oder der unzureichenden Qualität eines Produktes gewechselt haben.
Effektive Rückgewinnungsmaßnahmen
Die Kundenrückgewinnung ist ein wichtiges Feld im Marketing, welches nicht vernachlässigt werden sollte. Es gibt fast immer eine zweite Chance: Mit den richtigen Maßnahmen gelingt es, den Kunden umzustimmen und ihn im besten Fall von einem Kritiker zum Promoter zu wandeln.
- Finanzielle Anreize: Preisnachlässe, Rückkehrprämien spezielle Rabatte und Tarife
- Materielle Köder: Wiedergutmachungen, Schadensbehebungen, kleine Präsente
- Emotionale Aspekte: Ausführliche Stellungnahme und Entschuldigung, persönliches Gespräch
Bei all diesen Rückgewinnungsmaßnahmen ist es jedoch enorm wichtig, dass sie an jeden Kunden individuell angepasst werden. Der Verbraucher muss das Gefühl bekommen, dass man es ernst meint und es nicht nur oberflächliche Bemühungen sind. Besonders in der Phase der Rückgewinnung ist es essentiell, dass die persönliche Beziehung hier noch mehr gefestigt wird. Insbesondere Detraktoren möchten möglichst persönlich angesprochen und individuell betreut werden. Massenmailings, undifferenzierte Werbesendungen oder oberflächliche Briefe machen in diesem Fall keinen guten Eindruck. Insbesondere im B2B Bereich ist es ratsam, sich vorab persönliche Vorlieben zu notieren, um den Kunden individuell ansprechen zu können.
Lesetipp: In unserem Artikel „Effektive Maßnahmen zur Kundenrückgewinnung“ haben wir weitere Hinweise zusammengefasst.
Noch mehr zu diesem Thema im Artikel „Retention Marketing – So halten Unternehmen ihre Stammkunden„.
Fazit: Darum lohnt es sich, auf Detraktoren zu reagieren
Anfangs klingt es eventuell leichter, neue Kunden von sich zu überzeugen, als negative Erfahrungen wieder auszubügeln. Meist ist die Neukundengewinnung aber deutlich kostenintensiver. Zudem verliert man mit dem Verlust von ehemals treuen Kunden auch einen gewissen garantierten Umsatz. Deshalb lohnt es sich hier, die Ärmel hochzukrempeln und geeignete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
- Neukunden vs. Rückgewinnung ̶ Kosten einsparen: Eine Faustregel besagt, dass das Ersetzen eines Kunden durch einen Neukunden fast sieben Mal so viel kostet, wie bestehende Kunden zu halten. Allein aus diesem Grund lohnt es sich schon, den bestehenden Kundenstamm, so gut es geht, zu halten.
- Fehler eingestehen – Detraktoren in Promotoren umwandeln: In erster Linie sollte man Detraktoren grundsätzlich nicht als Problem, sondern als Chance sehen. Kritiker haben oft keine großen Erwartungen mehr an ein Unternehmen, weshalb man hier oft schon mit kleinen Maßnahmen und geringem Aufwand überzeugen kann. Zeigt ein Unternehmen Verständnis für die Situation des Kunden, kann man so den negativen Eindruck schon oft revidieren.
- Schneeballeffekt verhindern: Die Summierung von negativen Erfahrungen kann dazu führen, dass sich Detraktoren ganz vom Unternehmen trennen. Damit aus der Mücke kein Elefant wird, ist schnelles Eingreifen gefragt. Außerdem berichten Detraktoren doppelt so häufig über ihre negativen Erlebnisse wie Promotoren über ihre positiven Erfahrungen mit ihrem Unternehmen.
Negative Kritik hört wohl keiner gern. Unternehmen sollten sich diese jedoch zu Herzen nehmen, um die Abwanderung der Detraktoren zu verhindern. Selbstreflektiertes Handeln, das Eingestehen von Fehlern und die Ausarbeitung individueller Lösungen ist hierbei essentiell. Beschwerden unzufriedener Kunden können durchaus auch positive Seiten für das Unternehmen aufweisen: Sie bieten die Chance, Fehlerquellen zu erkennen und eigene Prozesse und Co. zu optimieren, um so letztendlich das Abwandern weiterer Kunden zu verhindern.
Mehr zu diesem Thema: Was ist NPS?
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